Mit der EU Mehrwertsteuerreform bringt die EU-Kommission ab 01.01.2020 umfassende Änderungen auf den Weg. Insbesondere Unternehmen, die innergemeinschaftlichen Handel betreiben, sehen sich mit zahlreichen Neuregelungen und höheren Anforderungen konfrontiert. Wenn Sie Probleme und mögliche Strafzahlungen zuverlässig vermeiden möchten, sollten Sie sich in jedem Fall intensiv mit den umfassenden Veränderungen befassen.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste vorab:
- Mit der Umsetzung der Quick Fixes und dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität ergeben sich weitreichende Änderungen. Dazu gehören beispielsweise auch der ermäßigte Steuersatz für Frauenhygieneartikel sowie für E-Books und E-Papers.
- Das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) regelt Neuerungen für Neugründer (ab 2021) hinsichtlich der Abgabepflichten für die Voranmeldung sowie für die Kleinunternehmerbesteuerung.
- Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 soll die Einführungen des ermäßigten Steuersatzes für den Bahnfernverkehr erfolgen.
Wen betrifft die EU Mehrwertsteuerreform?
Grundsätzlich sind alle Unternehmen betroffen, die innerhalb der EU grenzüberschreitende Geschäfte tätigen. Zudem gelten die Regelungen auch für Unternehmer, die Vorprodukte in andere EU-Ländern importieren.
Die Ziele der EU Mehrwertsteuerreform
Das derzeitige System war ursprünglich lediglich als Übergangsregelung gedacht, die Umsetzung eines endgültigen und einheitlichen Rahmenwerks ist somit längst überfällig. Mit dem Mehrwertsteuerreform-Paket verfolgt die EU unterschiedliche Ziele:
Steuerbetrug erschweren
Experten schätzen, dass im Bereich der Umsatzsteuer jährlich ein Schaden von rund 50 Milliarden Euro entsteht. Ein besonderer Fokus liegt auf den Karussellgeschäften. Dabei handelt es sich um fingierte Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer, eine Leistung wird hier jedoch nicht erbracht. Der Rechnungsempfänger erhält auf Antrag vom zuständigen Finanzamt eine Steuerrückzahlung. Die Mehrwertsteuerreform befasst sich zudem mit weiteren Maßnahmen, die beispielsweise Unternehmen Steuervermeidung und Steuerflucht deutlich erschweren sollen. Grenzüberschreitende Geschäfte und Transaktionen im Binnenmarkt sollen nach dem Willen der EU zukünftig identisch gehandhabt werden.
Kostenreduktion für Unternehmen
Wenn Unternehmer einen bestimmten Jahresumsatz nicht überschreiten, gelten Sie als Kleinunternehmer und können von den EU-Staaten aktuell von der Mehrwertsteuer befreit werden. Dieser Schwellenwert variiert je nach Mitgliedsland, in Deutschland liegt die Grenze beispielsweise bei 17.500 Euro. Zukünftig gilt in der gesamten EU ein einheitlicher Schwellenwert von 2 Millionen Euro. Bis zu dieser Grenze ist die Anwendung aller Vereinfachungsmaßnahmen im Rahmen der Mehrwertsteuer anwendbar, dazu zählen beispielsweise die Dokumentationspflichten oder der Steuerausweis auf Rechnungen. Unternehmen können zukünftig bis zu einem Schwellenwert von 100.000 Euro eine vollständige Befreiung von der Mehrwertsteuer beanspruchen.
Verbesserte Flexibilität für Mitgliedsstaaten
Da einige der aktuellen Vorschriften nicht mehr zeitgemäß sind, sollen nach dem Willen der EU die technischen Fortschritte des elektronischen Geschäftsverkehrs in Zukunft stärker berücksichtigt werden. Die Mitgliedsstaaten sollen die Möglichkeit erhalten, die Mehrwertsteuer zukünftig flexibler zu gestalten.
Quick Fixes - erste Änderungen ab 2020
Die EU sieht eine schrittweise Umsetzung des neuen Systems bis 2022 bzw. 2027 vor.
Als Quick Fixes werden Änderungen bezeichnet, die nach und nach zur Anpassung der Mehrwertsteuer-System-Richtlinie führen. Diese Neuerungen werden vorgezogen, da in den vergangenen Jahren größere Probleme auftraten, die möglichst schnelle Lösungen erfordern. Aus diesem Grund greifen die Quick Fixes bereits ab 01.01.2020. In den folgenden Bereichen werden die EU-Mehrwertsteuerreform 2020 Quick Fixes in nationales Umsatzsteuerrecht:
- Reihengeschäfte
- Konsignationslagerregelung
- Innergemeinschaftliche Lieferungen.
Auf dieses doch sehr komplexe Thema der Quick Fixes werden wir in Kürze in einem gesonderten Artikel eingehen. Schauen Sie regelmäßig auf unsere Webseite, um diesen Artikel nicht zu verpassen!
Amazon PAN-EU-Händler – neue Regelungen beachten
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
Wenn Amazon Ihre Waren in ein ausländisches Fulfillment-Center verbringt, müssen Sie ab 01.01.2020 im relevanten Bestimmungsland über eine UStID-Nummer verfügen, damit keine Steuerforderung entsteht. Die Steuerfreiheit für diese Transaktion gilt jedoch nur, wenn zum betreffenden Zeitpunkt bereits eine gültige UStID-Nummer vorlag. Ohne die steuerliche Registrierung in den sechs PAN-EU-Staaten sehen sich betroffene Amazon-Händler zukünftig mit hohen Steuerforderungen konfrontiert.
Pro-Forma-Rechnungen
Zusätzlich zur UStID-Nr. sind in allen PAN-EU-Staaten zwingend Nachweise erforderlich, die von deutschen Finanzämtern häufig aktuell bereits eingefordert werden. Leider erhalten Sie diese Nachweise nicht von Amazon, daher ist die Erstellung von Pro-Forma-Rechnungen nach § 17c UStDV erforderlich.
Abgabe von JPK-Erklärungen
Viele PAN-EU-Händler nutzen den Service von Amazon zur Abgabe von Umsatzsteuer-Erklärungen in anderen EU-Staaten, dies umfasst jedoch nicht die neuen JPK-Meldungen. Bei diesen Erklärungen handelt es sich um Meldungen, die basierend auf allen Transaktionen erstellt und eingereicht werden müssen. Ab dem 01.01.2020 wird die klassische Umsatzsteuer-Meldung vollständig durch die JPK-Erklärung ersetzt. Wenn Sie die monatlichen Meldungen nicht vornehmen, wird das Finanzamt in Warschau Ihre UStID-Nr. umgehend deaktivieren. Es entsteht eine Steuerpflicht hinsichtlich Ihrer Verbringungen nach Polen.
Neue Regelungen zum Kampf gegen Mehrwertsteuerbetrug
Bessere Kommunikation der Strafverfolgungsbehörden
Wenn die europäischen Strafverfolgungsbehörden wie EUStA (Europäische Staatsanwaltschaft), Europol und OLAF neue Kommunikationswege nutzen können, stärkt dies den erforderlichen Datenaustausch. Daraus folgt langfristig eine deutlich bessere Zusammenarbeit im Kampf gegen den europaweiten Mehrwertsteuerbetrug.
Stärkung des Eurofisc-Netzwerkes
In Zukunft soll allen EU-Mitgliedsstaaten ermöglicht werden, die erforderlichen Daten zu grenzüberschreitenden Transaktionen in Echtzeit zu prüfen, zu analysieren und zu verarbeiten. Dies ist zum Zweck einer Risikobewertung erforderlich. Aus diesem Grund ist vorgesehen, dass das EU-Betrugsbekämpfungsnetzwerk Eurofisc mit einem Online-System ausgestattet werden soll, um die Kommunikation zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten besser zu koordinieren. Liegt ein Verdachtsfall vor, können so schneller und einfacher genaue Prüfungen vorgenommen werden.
Informationsaustausch zum Fahrzeughandel
Informationsaustausch zu Einfuhren in die EU
Ein besonderes Verfahren ermöglicht es, dass aus Drittstaaten Wareneinfuhren in einen EU-Mitgliedsstaat erfolgen und anschließend umsatzsteuerfrei ein Weitertransport in ein anderes EU-Land möglich ist. In diesem Fall wird die Umsatzsteuer erst im endgültigen Bestimmungsland fällig. Diese Regelung im EU-Mehrwertsteuersystem soll eigentlich den Handel für ehrlicher Unternehmer erleichtern, bietet jedoch Steuerbetrügern die Möglichkeit, Waren auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen und so die Mehrwertsteuer komplett einzusparen. Nach den Plänen der EU-Kommission soll die EU Mehrwertsteuerreform zukünftig einen besseren Informationsaustausch der Steuer- und Zollbehörden aller Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einfuhr von Waren ermöglichen.
EU-Lieferungen: Wechsel zum Bestimmungslandprinzip
Nach dem aktuellen Umsatzsteuerrecht werden Lieferungen im innergemeinschaftlichen Handel umsatzsteuerlich aufgeteilt. Im Abgangsland fällt keine Steuer an und erst beim Empfänger erfolgt eine Besteuerung. Dieses System ist vergleichsweise komplex und hemmt insbesondere den grenzüberschreitenden Handel bei Kleinunternehmern. Mit der EU Mehrwertsteuerreform soll der innergemeinschaftliche Handel nun deutlich vereinfacht werden. Zukünftig soll die Umsatzbesteuerung ausschließlich im Bestimmungsland erfolgen. Steuerschuldner ist somit der liefernde Unternehmer, der im betreffenden Land umsatzsteuerlich registriert sein muss.
Der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 5a, 6 UStG ist daher das Ziel der Warenbewegung im Bestimmungsland. Nach den Regelungen der EU Mehrwertsteuerreform ist vorgesehen, dass die Zahlung der Steuer an zentraler Stelle im Abgangsland erfolgt. Anschließend leitet die dortige Steuerbehörde die Zahlung an Kollegen des Bestimmungslands weiter. Zunächst wird es bis voraussichtlich 2022 eine Übergangsphase geben, da die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine reibungslose Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten auf diesem Gebiet noch nicht gegeben sind.
Digitalpakt – Ausweitung auf elektronische Dienstleistungen
Nachweissystem für innergemeinschaftliche Lieferungen
Das vereinfachte Nachweissystem fußt dabei auf zwei widerlegbaren Annahmen
1. Kann der Lieferant zwei Dokumente als Belege des Warentransports vorweisen, die einander nicht widersprechen, wird der innergemeinschaftliche Grenzübertritt angenommen. Liegt der Verdacht des Missbrauchs vor, muss die Finanzverwaltung den Transport in ein anderes EU-Land zunächst zweifelsfrei widerlegen.
2. Befördert oder versendet der Erwerber die Ware als zertifizierter Steuerpflichtiger (ZS) nach Art. 13a MwStSystRL-E wird ein innergemeinschaftlicher Grenzübertritt angenommen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Erwerber spätestens am zehnten Tag des Monats, der auf die Lieferung folgt, eine schriftliche Erklärung vorlegt. Er muss bescheinigen, dass die Beförderung der Ware durch ihn selbst oder in seinem Namen erfolgte. Der Ankunftsmitgliedsstaat wird genannt und der Erwerber besitzt zudem zwei Dokumente, die einander nicht widersprechen und die Warenbewegung belegen.
Zum Nachweis sind folgende Dokumente zulässig
• Unterlagen zu Versand/Beförderung der Ware (Rechnung des Spediteurs, CMR-Frachtbrief etc.)
• Quittung als Beleg zur Lagerung der Ware im Bestimmungsland
• Empfangsbestätigung (im Bestimmungsland), unterzeichnet von Empfänger und Bevollmächtigtem
• Schriftwechsel, Vertragsunterlagen oder Bestellschein (Angabe des Bestimmungsortes erforderlich)
• Umsatzsteuererklärung des Erwerbers (Ausführung zum innergemeinschaftlichen Erwerb muss ersichtlich sein)
Nach § 17a UStDV werden im Zuge der EU Mehrwertsteuerreform neue Belegnachweise eingeführt, die bisherigen Nachweise bleiben jedoch weiterhin gültig.
Regelungen zum Konsignationslager
Nach gängiger Auffassung handelt es sich bei einem Konsignationslager um ein Außenlager. Diese Warenlager befinden sich häufig in der Nähe des entsprechenden Kunden und Lieferungen innerhalb eines Landes gelten als ausgeführt und führen steuerpflichtigen Umsätzen. Bei innergemeinschaftlichem Handel greifen nun die neuen Regelungen der EU Mehrwertsteuerreform. Konsignationslager in einem anderen Mitgliedsstaat können sich für den Lieferanten als Problem erweisen. Bislang ging der deutsche Fiskus hier von einem Verbringenstatbestand aus, demnach liegt nach § 1a Abs. 2 UStG eine innergemeinschaftliche Verbringung mit anschließender Inlandslieferung an den endgültigen Abnehmer vor.
Steht der Abnehmer bereits zu Beginn des Warentransports fest, liegt nach Auffassung des BFH eine direkte innergemeinschaftliche Lieferung an den Abnehmer vor. Die vorherige Einlagerung spielt hier keine Rolle (siehe Urteil vom 20.10.2016 – V R 31/15, MwStR 2017, 171). Dieser Auffassung schloss sich auch das BMF an (siehe Schreiben vom 10.10.2017 – III C 3 – S 7103 – a/15/10001, MwStR 2017, 892).
Im Rahmen der EU Mehrwertsteuerreform sollen Lieferungen an Konsignationslager mit Art. 17a MwStSystRL-E in Zukunft deutlich vereinfacht werden. Geschäfte zwischen ZS (zertifizierte Steuerpflichtige) mittels eines Konsignationslagers stellen keine fiktiven Lieferungen dar.
Was bei Reihengeschäften beachtet werden muss
Aktuell sind Rahmenbedingungen bei Reihengeschäften im hohen Maße von der EuGH-Rechtsprechung bestimmt. Zukünftig ist es in Anliegen der EU-Kommission, hier etwas Klarheit zu schaffen. Zu diesem Zweck dienen die entsprechenden Passagen der EU Mehrwertsteuerreform. Reihengeschäft liegt vor, wenn mehr als zwei Unternehmer in die Lieferkette derselben Ware eingebunden sind.
Laut Art. 138a MwStSystRL-E handelt es ich bei der Überstellung an einen mittleren Unternehmer um die bewegte Lieferung, wenn dieser in einem anderen EU-Mitgliedsland registriert ist und dem Lieferanten das abschließende Bestimmungsland mitgeteilt hat. § 3 Abs. 6a UStG setzt die Definition national um und bestimmt, dass lediglich eine Lieferung in der Lieferkette als Beförderungs- oder Versendungslieferung fungieren kann.
Mehr Flexibilität: Reform der Mehrwertsteuersätze
Mit der EU Mehrwertsteuerreform bietet sich den EU-Mitgliedsstaaten eine Möglichkeit zur flexibleren Gestaltung der Mehrwertsteuersätze. Weiterhin gilt ein Mindestregelsteuersatz von 15 Prozent, allerdings können die Länder zusätzlich drei ermäßigte Steuersätze nach eigenem Ermessen definieren. Im gewichteten Mittel darf der Steuersatz jedoch die Grenze von 12 Prozent nicht unterschreiten.
EU-Mehrwertsteuerreform – neue EU-Kleinunternehmerregelung
• höchstens 85.000 Euro in einem Mitgliedstaat sowie
• maximal 100.000 Euro in der gesamten EU
Online-Lieferunternehmen – neue Regelungen beachten
Höherer Stellenwert der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
Fazit:
Wenden Sie sich bei Fragen zur EU Mehrwertsteuerreform vertrauensvoll an die Pandotax Steuerberatungsgesellschaft. Wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.
*Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel sind nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert, zusammengetragen und geschrieben. Sie ersetzen jedoch keine Rechts- oder Steuerberatung. Bitte stellen Sie für eine rechtlich bindende Beratung eine Anfrage. Wir übernehmen keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder mögliche Änderung der Sachlage.